Athen in der Krise, eine Liebesgeschichte.

Eine Ballade von Rachel Clarke.

Englisches Original: “Athens in Crisis, a Love Story”, übersetzt ins Deutsch von der Dichterin.

Story: Eine Begegnung im Theater, eine kurze Affäre,
ein intensiver Einblick in den Alltag eines Schauspielers
inmitten der Griechenland Krise.
Eine bittersüsse Erfahrung mit politischem Tiefgang.

I. Mexaghourgio

Nachts sitzt ein Mann mit dem Rücken zur Wand.
Sein Geist ist schwerer als die stickige Bar-Luft.
Wie ein Fragezeichen aus Marmor
ist sein geneigster, bartiger Kopf.

Das Gespräch um mich herum
verwandelt sich in ein Fliegensummen.
Als er zur Terrasse hinausschaut und mich entgegen,
kann ich, wie immer schüchtern, nichts anderes tun,
als seinem Blick zu begegnen –
und diesen zu halten, für gefühlte Ewigkeiten.   

Und so trifft ein griechischer Schauspieler und Anarchist –
auf eine puristische, schottisch-deutsche Kunstaktivistin,
deren Haut, Haar und Zellen jeden Moment mitschwingen,
und so vergeht diese süss-qualvolle Stunde,
die Freundinnen, die ihr gegenüber sitzen,
bleiben ungehört und vergessen.

Wenn er plötzlich aufsteht, sich nähert,
hält sie den Atem ein,
er zögert auf der Marmorstufe ...
At-ta-cca, At-ta-cca –
geht die neonbeleuchtete Wand entlang ...
At-ta-cca, At-ta-cca, At-ta-cca –

Sein Fuss, Knie, Oberschenkel, Hüfte, Brust,
Scheitel, Waden, Füssen...
in eine dunkle Gasse Athens gezogen!
und verschwinden!
Während durch die Sohlen ihrer Schuhe
kalte Frauenhände unter Stein
schlagen und kratzen – aus Empörung.

II. Psirri

Monströs leuchtende Graffitti-Geister
schmücken die Wände der Gasse.
Ich klopfe an die Eisentür,
eine zweite Unsichtbare öffnet sich,
ich hebe den schwarzen Vorhang und trete ein,
eine einzige Lampe erhellt diese dramatische Höhle,

Embros – das ist radikales Widerstandstheater.
Die einst ausverkauften Sitzplätze
sind nun von Kunstaktivisten besetzt,
die meisten von ihnen sind Mittelstandskinder mit Master,
die seit der Krise um ihre Existenz bangen.
Das erklärt mir meine Kollegin,
die 3D-Performancekünstlerin,
hier genauso zu Hause wie in Berlin.
Als Teil ihrer Berliner Delegation
werde ich von der Wärme lebhafter Diskussionen empfangen –
inmitten von allem, unerwartet -
du - deine Stimme, der dunkelste Celloton,
deine Stimmbänder streichst du mit deinem lachenden Bogen.
Umgeben von dunkelhaarigen Frauen,
die sich der Melodie erfreuen,
deines verspielten Tons.

Unser Artivisten-Treffen beginnt – jetzt!
Auf der Bühne präsentiere ich
unser Stück dem Publikum,
du, drei Reihen vor mir,
drei Dutzend trennen uns,
dein Kopf vom Licht gekrönt.
Ich spüre, wie du lächelst –
mein Mund wird trocken –
Ich spüre, wie du nachdenkst –
meine Ohren pochen –
Ich spüre, wie du nachfragst –
Ich erwidere ohne Verstand –
Ich spüre, wie du urteilst –
meine Seele wird trocken –
Ich zerfalle in Fragmente auf dem Bühnenboden.

Die Bühne steht für wo, was und warum offen.
Das Publikum strömt hinaus und verabschiedet sich.
In der Menge verliere ich dich.
Im leeren Saal spüre ich den Schmerz eines Messerstichs.
O Anthropos, ochi miamatiá?
Bleibt diese Liebe für immer einseitig?
Klar ist - du spürst keine Liebe für mich auf dem ersten Blick.
Arbeit wird mich aus meinem Kopf drängen – und das ist gut so!
Nαί - we have Krisí – und so viel zu tun ...

Gesamtdauer 15 Min.