Erinnerungen an ein Festival (2020)
Bild: Johanna Schartau, Festival-Kuratorin, Bildende Künstlerin
Ein kleines Festival in Südschweden. Mit wenigen Prominenten. Fernab vom Marktdruck experimentieren hier schwedische und deutsche Künstler-
und Musiker: innen. Gedanken an die frühen Woodstock- und Glastonbury-Festivals liegen in der Luft. Die Zukunft des Festivals ist offen. Ungewiss?
Viele spenden dem Festival ihre Kreativität und Kraft, damit stattfinden kann.
Kann Poesie diese besondere, zarte Stimmung einfangen?
Oder lieber das Geheimnis bewahren? Soll der Idealismus gefeiert werden?
Der Lockdown im Jahr 2020 tauchte das Festival für die Dichterin während des Schreibens in ein besonders nostalgisches Licht.
Erinnerungen an ein Festival. Eine Ballade.
Rachel Donaldson Clarke
Im tiefen Süden Schwedens im Juni.
streifen Frühsommerwinde.
über die Felder dieser Region.
spreizen weißes Weizen,
bringen rote Mohnblumen zum Wehen.
Inmitten dieses Ozeans,
im Dorf Glemmingebro,
– eine Scheune.
Bob, experimenteller Musiker
und Berliner aus Plymouth, England
hat tagelang gegraben, um den Boden
in der alten Scheune freizulegen,
um ihn mit Rotwein- und Whiskykisten zu stapeln,
um darauf das elektrische Soundsystem einzurichten.
Jetzt gibt es nichts mehr zu tun,
als zu chillen und zu warten ...
in der Ruhe vor dem Sturm ...
Durch Sonnenschein, Zigaretten und wilde Winde,
dreht sich die Uhr im Kuhstall geschwinder.
Passenderweise ist sie als Erste am Tor,
am Freitagnachmittag, spät
aus Berlin, um ihren Abgesang zu feiern
die ehemalige Frankfurter Schlagzeugerin und Rockerin Heike.
Ein Lachen, ein Bier und etwas schwarzer Humor
ist sie hier zu Hause – und wir anderen mit ihr.
Im heißen Frühsommerwetter
versammeln sich Schweden aus allen Ecken
des Landes, um das Leben zu feiern
und seltene Kunstschätze zu bewundern.
Draußen auf dem hölzernen Tischbock
unter einem flüssigen blauen, wolkenverhangenen Himmel
türmen sich um fünf Uhr nachmittags
die Weinflaschen wie zu Zeiten von Babel
und Künstler und Intellektuelle
streiten sich wie Kain und Abel.
Denn hier herrscht Freiheit für das Individuum,
bis der Zauber des Abends hereinbricht.
Durch Sonnenschein, Zigaretten und wilde Winde,
dreht sich die Uhr im Kuhstall geschwinder.
…
Gesamte Erzähldauer 15 Min.